Franziska STIER*
In Basel werden im Herbst das Parlament und die Regierung neu gewählt. Dem Kanton Basel-Stadt geht es relativ gut. Im letzten Jahr gab es einen Steuerüberschuss von 434 Millionen Franken. Doch das heisst nicht, dass er gut gewirtschaftet hat, wie die Turbo-Liberalisierer immer behaupten. Denn Überschüsse heissen auch, dass Investitionen in Bildung, Gesundheit, Wohnen, Mobilität und soziale Sicherheit, die dringend nötig wären, nicht gemacht wurden.
Der Grosse Rat
Vieles, was unser Leben bestimmt, wird vom Kantonsparlament – Grosser Rat genannt – in Basel bestimmt. Wo Schulhäuser und Turnhallen gebaut werden, welche Strassen verkehrsberuhigt werden, wo Restaurants und Bars wie lange öffnen können, wie viel die Kita kostet und wie hoch Häuser sein dürfen, entscheidet der Grosse Rat.
Auch die medizinische Versorgung, die Situation des Pflegepersonals und die der Krankenhäuser sind im Wesentlichen Kantonsangelegenheiten.
Das Parlament schaut dabei der Regierung auf die Finger, damit Debakel wie beim Bau des Biozentrums, bei dem 100 Millionen Franken verschleudert wurden, oder Polizeieinsätze wie am 1. Mai 2023, bei dem die Polizei die Demonstration verhinderte, nicht zur Regel werden. Beides lag in der Verantwortung von rechtsliberalen RegierungsrätInnen.
Es geht aber auch um Prämienverbilligungen oder Familien-Mietzuschüsse, denn die Kosten explodieren und die Löhne steigen nicht. Dabei sind die Mieten in den vergangenen 10 Jahren in die Höhe geschossen. 1-Zimmer Wohnungen sind 18% teurer geworden, 3 und 4-Zimmer Wohnungen mehr als 10 Prozent.1 Ob und wieviel der Kanton die Menschen unterstützt und ob er bereit ist, Wohnungen zu kaufen und zur Kostenmiete an die Bevölkerung zu vermieten hängt von den politischen Mehrheiten im Grossen Rat ab.
BastA! Grossrat Oliver Bolliger forderte kürzlich die Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen, um die Kinder- und Familienarmut in Basel zu bekämpfen. Schliesslich sind Kinder die Altersgruppe in der Schweiz, die am stärksten von der Sozialhilfe abhängig ist und die Sozialhilfequote von Minderjährigen ist in Basel eine der höchsten in der Schweiz.
Verteilungsfragen
Die reichsten 0,1 Prozent in Basel besitzen 44 Prozent aller Vermögen. Das Durchschnittseinkommen in Basel liegt bei 88’000.- Franken, in Riehen sind es mehr als 113’000.- und in der Basler Gemeinde Bettingen sogar 190’000.- Franken pro Jahr.2 Wer in Bettingen wohnt, hat statistisch also doppelt so viel Einkommen. In den ärmeren und migrantischen Quartieren Basels, wie Klybeck und Kleinhüningen sind die Einkommen in den letzten 10 Jahren nicht gestiegen und 29’000 Menschen hatten in Basel so wenig Einkommen, dass sie gar nicht in der Lage waren, Steuern zu zahlen.
Solche Verteilungsfragen zeigen sich nicht nur in der Steuerstatistik des Kantons oder auf dem Konto der Reichen, sondern auch darin, wie unsere Stadt gestaltet wird. Wieviel Grünflächen haben wir zur Verfügung, wie ist die Luftqualität und wie gross die Wohnungen? Mein Quartier ist jung, migrantisch und ziemlich arm. Unser Grünflächenanteil beträgt 17 Prozent. Im Bruderholz leben eher Menschen ohne Migrationshintergrund in stabilen Einkommensverhältnissen. Sie haben 71% Grünfläche im Quartier. Es klingt banal, aber Zugang zu Natur, guter Luft, Bäumen und damit auch Gesundheit sind Klassenfragen.
Monsterprojekte aus dem letzten Jahrtausend
Hinzu kommt, dass den Menschen im Kleinbasel eine wichtige Erholungsfläche genommen werden soll, um den Rheintunnel zu bauen. Der geplante Rheintunnel wird mehr Autoverkehr ins Quartier bringen, und während 10 Jahren Bauzeit wird er unser Leben mit Lärm, Luftverschmutzung und Treibhausgasen belasten. Und in Birsfelden gehen über 150 Familiengärten ersatzlos verloren.
Im November stimmt die Schweizer Bevölkerung über den Ausbau der Autobahnen ab. Auch der Rheintunnel gehört dazu. Er wird 2.6 Milliarden Franken kosten. Damit könnte die ganze Basler Bevölkerung 18 Jahre gratis Tram und Busfahren. Diese nationale Abstimmung und der Kampf für unser Quartier sind Klima- und Klassenfragen. Die Superreichen werden sich gegen den Klimawandel mit Mauern und Geld absichern. Vielleicht werfen sie uns den einen oder anderen Krümel hin. Aber die Zeche der Auto- und Öllobby zahlen am Ende wir – und unsere Brüder und Schwestern im globalen Süden.
Viel zu sehr sind wir daran gewöhnt, dass die Verhältnisse sind, wie sie sind. Wir kämpfen häufig für einen Krümel, obwohl es die ganze Bäckerei zu erobern gilt. Wir dürfen die Verantwortung für unsere Zukunft nicht einfach delegieren, in der Hoffnung, dass es andere besser machen. Wir müssen uns einmischen: Für einen gut ausgebauten kostenlosen ÖV, um die Klimakrise zu bewältigen, für bezahlbare Mieten, weil jede*r ein Dach über dem Kopf braucht und für gute Löhne und weniger Arbeitszeit, weil wir nur ein einziges Leben haben. Mischen wir uns jetzt in diese Verhältnisse ein.
1 Statistisches Amt Basel
2 https://www.immofacts.ch/de/municipalitystats/2703/incomeMean/
*Franziska Stier, Parteisekretärin BastA!
Geboren in 1984 und lebt seit 2010 in der Schweiz. Fransizka Stier studiert Soziologie, Wirtschaft, Geschlechterforschung an der Uni Basel. Sie ist Gewerkschafterin, marxistische Feministin im Werden.
Mitgliedschaften in der Schweiz:
Vorstand vpod Basel, Vorstand GBB (Gewerkschaftsbund beider Basel)