Franziska STIER
Am 9. Februar wird auch in Baselland über die Einführung eines Mindestlohns abgestimmt. Die Initiative fordert für jede*n Arbeitenehmer*in im Kanton eine gesetzliche Mindestentlöhnung von 22 Franken pro Stunde. Im Gegensatz zum Mindestlohn Basel-Stadt gilt die Initiative auch für Branchen mit Gesamtarbeitsvertrag. Ausgenommen von der Mindestlohnregelung sind die Landwirtschaft, obligatorische Praktika im Rahmen von Ausbildungen, Lernende, Ferienjobs für minderjährige Schüler*innen und Familienmitglieder in Familienbetrieben.
Rund fünf Prozent der Arbeitnehmenden in Baselland sind sogenannte «Working Poor». Das heisst, sie sind auf staatliche Unterstützung wie Sozialhilfe angewiesen, weil der Monatslohn zum Leben nicht reicht. Die Mindestlohninitiative der Gewerkschaften will das ändern. Jeder soll ein Einkommen haben, das zum Leben reicht.
Die Kantone Neuenburg, Jura, Tessin, Genf und Basel-Stadt haben bereits einen Mindestlohn eingeführt. Auch in den Städten Winterthur und Zürich wurden 2023 mit über 65 bzw. 70 Prozent Initiativen für einen Mindestlohn gewonnen. Doch der Widerstand der Bürgerlichen ist gross.
So zogen die Unternehmensverbände gegen die gewonnene Initiative vor Gericht und verhindern damit seit fast zwei Jahren die Umsetzung. Kurz vor Weihnachten fällte schliesslich das kantonale Verwaltungsgericht einen Entscheid gegen die Einführung des Mindestlohns auf Gemeindeebene im Kanton Zürich. Es sei nicht Aufgabe der Gemeinden in privatrechtliche Verträge einzugreifen, lautet eine der Begründungen. Die Stadtregierung wird entscheiden müssen, ob sie das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht.
Die Debatte der Bürgerlichen und Unternehmensverbände ist beschämend und verlogen.
Vor mehr als 10 Jahren kämpften wir schweizweit für die Einführung eines nationalen Mindestlohns von 4000 Franken. Damit wollten wir soziale Sicherheit über alle Branchen und Kantone hinweg schaffen. Insbesondere Frauen hätten von dieser Initiative profitiert, da sie vermehrt im Tieflohnsektor arbeiten. Doch das Argument der Bürgerlichen, dass die Lebenshaltungskosten so verschieden seien, verfing. Wir verloren den Kampf an der Urne und die Gewerkschaften begannen erfolgreich kantonale und regionale Initiativen zu lancieren. Die Höhe der kantonalen Mindestlöhne ergibt sich jeweils über die kantonalen Armutsgrenzen, da die Initiativen bisher nur als «sozialpolitische Instrumente» der Kantone zur Armutssicherung eingeführt werden können und nicht als gewerkschaftliche Forderungen. Sie sind darum auch sehr tief. Nun verdreht die Unternehmenslobby ihre Argumentation komplett. Nicole Barandun, Präsidentin des städtischen Gewerbeverbands Zürich erklärt gegenüber der NZZ, dass es immer ihr «Ziel war […], ein Flickwerk zu vermeiden…» Dabei waren sie es selbst, die die kantonalen Lösungen erzwangen. Das zeigt, dass es ihnen nicht um Argumente geht, sondern darum die Verantwortung für die soziale Sicherheit der Beschäftigten zu verweigern.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der Diskussion in Baselland. Das mehrheitlich bürgerliche Parlament lehnt die Initiative ab. Und jene, die den Mindestlohn ablehnen und die finanzielle Verantwortung für die einkommensschwachen Haushalte an die Sozialhilfe koppeln sind in der Regel die ersten, die dort jährliches Sparpotenzial wittern und bei den Sozialausgaben kürzen wollen.
«Armer Mann und reicher Mann
standen da und sah`n sich an.
Und dann sagt der Arme bleich,
wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.»
Bertolt Brecht
Die Debatte über Mindestlöhne wird auf politischer Ebene von Menschen geführt und geprägt, die weit mehr als 50 Franken pro Stunde verdienen. Sie entscheiden darüber, was ein würdiges Leben in der Schweiz kosten darf. Der Medianlohn von Männern mit Schweizer Pass beträgt 92’700 Franken. Männer ohne Schweizer Pass erhalten noch 79’300 Franken. Schweizer Frauen erhalten im Median 78’000 Franken und ausländische Frauen nur noch 71’000 Franken. (vgl. Tagesanzeiger 29.08.2024) Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich Migrant*innen aktiv in diese Debatte einmischen und mit Freund*innen, Nachbar*innen und am Arbeitsplatz über diese Abstimmung zu sprechen.
Am Ende sind 22 Franken pro Stunde bzw. rund 4000 Franken im Monat gerade genug, um durchzukommen. Mehr ist aufgrund der Rechtslage für die kantonalen Initiativen aktuell nicht möglich. Ein gerechtes Leben lässt sich nicht auf Gesetzesebene einführen, sondern nur gewerkschaftlich und politisch erkämpfen. Aber mit dieser Initiative setzen wir auch im Baselbiet einen Mindeststandard, der dabei hilft, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in den Gesamtarbeitsverträgen auszuhandeln. Wir tasten damit das Recht der Stärkeren, uns gnadenlos auszubeuten, an. Sie verschiebt das Kräfteverhältnis ein kleines Stück zu unseren Gunsten und ist damit ein wichtiger Schritt für den es sich zu streiten lohnt.