Wenn Bücher brennen

 

B.M. AY

„Nein Horst, du brauchst nichts vorzubereiten für das Küchenfrühstück. Ich bringe alles mit“, versicherte Ahmet zum wiederholten Mal und legte auf.

„Das war so gut!“ rief Horst und rieb sich zufrieden den Bauch, nachdem sie das Montagsfrühstück beendet hatten. „Da passt noch nicht mal ein Mokka mehr drauf.“

„Freut mich“, sagte Ahmet aufgeräumt. „Später vielleicht, wenn das Frühstück etwas weiter nach unten gerutscht ist. Ich hatte nicht vor gleich wieder zu verschwinden.“

„Das hätte ich dir auch gar nicht erlaubt“, lachte Horst, fuhr aber dann mit ernster Miene fort: „Weder Hüseyins Bistro, noch Café AYDIN, ja noch nicht mal das Café Bauswein waren dir für unser Montagsfrühstück recht. Da stimmt doch was nicht, oder?“

„Ich muss damit klarkommen, dass sie vor ein paar Tagen in Stockholm öffentlich unser Buch verbrannt haben“, erklärte Ahmet leise.

„Du meinst, dass der Chef einer rechtsextremen dänischen Partei, der auch schwedischer Staatsbürger ist, öffentlich eine Ausgabe des Korans verbrannt hat?“ hakte Horst nach.

Ahmet nickte. „Ich muss meinen Standpunkt dazu finden. Meinen eigenen! Verstehst du? Ich war am Wochenende erst in Hüseyin’s Bistro und dann im Café AYDIN. Beides brechend voll, hitzige Debatten an jedem Tisch. Hier Hassprediger, da Männer, die sich fragten, wie ihre und die Sicherheit ihrer Familien als Muslime im Westen noch zu gewährleisten sei. Beide Lokale habe ich nach wenigen Minuten fluchtartig wieder verlassen.“

„Verstehe“, sagte Horst.

„Ach wirklich?“ murmelte Ahmet zweifelnd.

„Sehr gut sogar!“ antwortet Horst bestimmt. „Hass und Angst sind für uns Menschen hochansteckend. Aber zu friedlicher Konfliktlösung haben sie noch nie getaugt, heizen Konflikte eher an. Gut, dass du dich schnell aus dem Staub gemacht hast.“

Ahmet schwieg.

Horst legte seine Hand auf Ahmets Arm und fuhr fort: „Schau, der Missbrauch der Religionen und ihrer Symbole ist und bleibt halt das ultimative Instrument jeder toxischen Politik, wenn alle anderen Waffen stumpf geworden sind. Funktioniert todsicher, sogar über Ländergrenzen hinweg. Die ganze islamische Welt könnte wegen dieser Aktion bald wieder auf den Barrikaden sein. Wer jetzt glaubt aus der Koranverbrennung einen machtpolitischen Nutzen ziehen zu können, wird auf diesen Zug aufspringen. Viele, sowohl die Anhänger des Islams als auch die Christen, ja sogar Atheisten haben während der gesamten Menschheitsgeschichte aus sogenannten Glaubenskriegen maximale Profite geschlagen.“

Ahmet zog seinen Arm unter Horsts Hand weg. „Ich bezweifle, dass du – als „Ungläubiger“ – das wirklich verstehen kannst. Du würdest wahrscheinlich noch nicht mal hinschauen, wenn sie eure Bibel anzündeten“, sagte er etwas schärfer als ihm selbst lieb war.

„Selbstverständlich würde ich hinschauen und sofort nach dem nächsten Feuerlöscher greifen, um den Brand zu löschen, bevor er um sich greift. Aber damit wäre die Sache für mich dann auch erledigt“, protestierte Horst.

Ahmet schwieg eine Weile. „Weißt du, als ich in die Flegeljahre kam, hat mich mein Großvater beiseite genommen, um mir die Regeln für ein gedeihliches, sicheres Leben in der Gesellschaft einzubläuen“, erklärte er dann. „Und ich werde nie den warnenden Blick und den beschwörenden Ton seiner Stimme vergessen, als er sagte: „Achte stets darauf die religiösen Gefühle deiner Mitmenschen nicht zu verletzen. Auch die der Ungläubigen nicht, denn dein Spotten über ihre Religion könnte das Letzte sein, dass du auf Erden tust.“ Und jetzt soll ich die öffentliche Schändung unseres Koran einfach so hinnehmen?“

„Fakt ist doch, dass diese Brandstifter jedes bedeutungsvolle Buch verbrennen würden, wenn sie sich davon eine Aufwiegelung der Massen versprechen“, antwortete Horst. „Aber Fakt ist auch, dass sie zwar tausende von Büchern verbrennen können, niemals aber die Lehre die dahinter steht. So gesehen ist die Tat von Stockholm der ganzen Aufregung nicht wert.“

„Du weißt schon noch, dass die Braunen im Dritten Reich erst die Bücher und danach die Menschen verbrannten!?“ warf Ahmet ein.

„Brandstifter werden zu allen Zeiten versuchen Menschen gegeneinander aufzubringen, Hass zu entfachen und zu schüren, egal mit welchen Mitteln. Doch liegt es in der Verantwortung eines jeden Einzelnen, sich davon nicht anstecken zu lassen, sich von den Wellen, die bewusst inszenierte Provokationen schlagen, nicht davontragen zu lassen“, erwiderte Horst.

„Klingt gut“, sagte Ahmet. „Und du bist sicher, dass im Zweifelsfall genug Menschen gegen die Ansteckung gefeit sein werden?“

„Nein, nicht ganz“, sagte Horst. „Und deswegen sollten wir die uns nachfolgenden Generationen fortlaufend dagegen zu impfen.“